33 Fragen an Dr. Thomas A. Biland, Inhaber von Dr. Thomas A. Biland Executive Search, Zürich
«Die Perle zu finden, wird dank Algorithmen nicht einfacher»
33 Fragen an Dr. Thomas A. Biland. Er ist Inhaber der gleichnamigen und international tätigen Executive Search Boutique, die Verwaltungsräte und CEO in wichtigen Personal- und Nachfolgefragen berät.
Haben Sie Ihre Karriere von Anfang an genau vor sich gesehen?
Nach dem Studium war mir mein Weg nicht ganz klar, ausser dass ich breit interessiert war – womit Headhunter nicht umgehen konnten, denn ich passte in keine Schublade. Freiheit und Selbstbestimmung waren mir seit je wichtig, und so wollte ich immer selbständig werden, suchte lange nach Möglichkeiten. Letztlich war es ein Prozess. Irgendwann war es plötzlich sonnenklar und passierte. Ein Zurück kam nie nur ansatzweise in Frage.
Wie lauten Ihre Führungsgrundsätze?
Nimm die Menschen, wie sie sind: Vertrauen und Freiraum sind die Grundlage. Jeder Mitarbeiter hat Stärken. Darauf baue ich. Ich bin überzeugt, dass Führung sehr situativ ist, klare verbindende Werte und Konsistenz sind dabei wichtig.
Ist kompetente Unternehmensführung überhaupt erlernbar?
In Ansätzen ja; das mag dann einen guten Manager geben. Für ein wirklich erfolgreiches Unternehmertum erachte ich jedoch die Persönlichkeit als matchentscheidend. Zwischen den Selbstverständnissen von Manager und Unternehmer liegen Welten.
Darf ein Chef auch Schwächen zeigen?
Unbedingt, es macht ihn fassbar und menschlich. Sein Umfeld durchschaut ein «Teflongehabe», und dies ist für seine Akzeptanz nicht förderlich.
Wie spüren Sie die Wirtschaftslage?
Wir leben in einer in jeder Hinsicht explosiven Zeit; der nächste Knall kommt bestimmt – wir schieben Probleme vor uns her, und wenn Hoffnung an der Börse mehr wert ist als Substanz, dann ist das ein untrügliches Zeichen. Ich spüre rasante Veränderungen und bin nicht sicher, ob alle begriffen haben, dass diese schneller kommen, als einigen von uns lieb ist. Zu viele Firmen scheinen mir etwas zu abwartend und bewahrend zu agieren.
Hat die globale Arbeitsteilung positive Effekte gebracht?
Sie eröffnete unserer Industrie global Chancen und brachte uns Wohlstand. Neue Märkte zu gewinnen, bringt aber auch Abhängigkeiten und Gefahren; besonders wenn sie einseitig verteilt sind, wie das Beispiel China zeigt.
Was geht Ihnen auf die Nerven?
Intoleranz, Narzissmus, Selbstdarstellung und Egoismus – leider sind die Phänomene nicht selten anzutreffen.
Worüber können Sie herzlich lachen?
Wenn mich jemand charmant auf den Arm nimmt oder über geistreiche Komik. Ich liebe den feinen Humor.
Was sagen Ihre Mitarbeiter über Sie?
Er ist nett, sehr geduldig, doch wer es überstrapaziert, hört es durchaus.
Wie reagieren Sie auf Kritik?
C’est le ton qui fait la musique: richtig angebracht offen, sonst allenfalls eher direkt, reflektiere aber sicher danach für mich selber und neige dazu, mich manchmal eher zu stark zu hinterfragen.
Hat Sie Ihr Bauchgefühl auch schon getäuscht?
Ja – aber je länger, je weniger; ich hätte früher im Leben begreifen sollen, dass es oft besser ist als eine «akademische Analyse».
Stellen Sie auch ehemalige Arbeitskollegen und Freunde ein?
Eher nicht – es schafft Konfliktpotenzial und lässt mich im Extremfall ungewollt nicht frei entscheiden.
Sind Frauenquoten notwendig?
Männer sollten diverse Teams nicht nur proklamieren, sondern aktiv fördern. In Gesellschaftsfragen hinkt die Schweiz hinterher. Frauen sollten sich aber noch viel mehr gegenseitig unterstützen. Für mich ist Gleichberechtigung seit je der Normalfall. In der Schweiz haben wir noch einige Hausaufgaben, und wenn Teile der Wirtschaft nicht vorwärtsmachen, dann braucht es vielleicht temporäre Quoten. Allerdings sollte das Thema auch nicht missionarisch angegangen werden.
Werden bei Ihnen Kandidaten gegoogelt?
Selbstverständlich, aber nur in der Suche, Facebook-Fehltritte interessieren mich nicht; jeder hat das Recht, einmal einen Blödsinn zu machen. Für mich zählt Leistung.
Welchen Stellenwert haben für Sie soziale Netzwerke?
Ich war weltweit einer der ersten 600 000 auf Linkedin, soziale Netzwerke sind wichtig. Noch wichtiger sind direkte Begegnungen, diese machen den Unterschied. Wirtschaft lebt durch den Austausch mit Menschen und nicht durch virtuelle Welten, so toll diese auch sind. Zum Hörer greifen oder jemanden treffen ist oftmals viel effizienter als «E-Mail-Schlachten».
Was halten Sie von Managern, die mit wenig Schlaf und Wochenendarbeit auftrumpfen?
Und danach noch den Mount Everest erklimmen? Nichts: Sie sind einseitig und imponieren mir nicht.
Würden Sie Ihre Karriere zugunsten eines humanitären Einsatzes aufgeben?
Vielleicht nicht als Ganzes; anderseits ist es Pflicht, auch zu geben und nicht nur zu nehmen – Ungerechtigkeiten und Diskriminierung jeder Art bringen mich in Rage, und dagegen setze ich mich mit meinen Möglichkeiten sehr aktiv ein. Ich bin bereit, mich zu exponieren.
Wann und wo können Sie wirklich abschalten?
In der Natur beim Wandern oder Joggen, bei Musik und auf Reisen – das gibt mir Kraft und innere Ruhe.
Sind Vorbilder noch aktuell oder eher hinderlich bei der Selbstverwirklichung?
Sie können sicherlich helfen, letztlich sollen wir uns aber eigenständig entwickeln. Als Ansporn sind sie wertvoll. Ich bewundere Menschen, welche sich im Leben als Persönlichkeit und nicht nur im Status entwickelt haben.
Was raten Sie dem Berufsnachwuchs?
Ziehe in die Welt hinaus, lerne und sauge das Fremde auf und mache etwas mit Passion – Letztgenanntes ist extrem wichtig; gehe deinen Weg und nicht den der anderen – lebe deinen Traum. Andere Welten und Kulturen zu sehen, hilft, die eigene Welt etwas offener zu reflektieren.
Wie wurden Sie durch Ihre ehemaligen Lehrpersonen eingeschätzt?
Ein Lehrer meinte einmal: «Den Thomas sehe ich eh nicht an einer Kantonsschule und im Studium schon gar nicht.»
Hat Ihnen die Schule das wirklich Relevante vermittelt?
Die Grundlagen sicherlich. Zu viel Bildung hemmt vermutlich eher, als dass es das Unternehmerische fördert. Von daher habe ich Respekt vor wirklichen Machern, welche nicht zuerst Titel sammeln.
Könnten Sie sich ein Leben im Kloster vorstellen?
Für eine klar beschränkte und kurze Zeit vielleicht, zur Meditation: Ich liebe Menschen und den direkten Kontakt zu ihnen jedoch zu sehr, um in der Abgeschiedenheit zu leben.
Kommen Sie manchmal zu spät?
Früher manchmal; heute habe ich es weitgehend im Griff – Pünktlichkeit und Verbindlichkeit sind mir wichtig.
Glauben Sie an die Vorsehung und an das Schicksal?
Bis zu einem bestimmten Grad sicherlich ja – das Glück kann man jedoch nicht erzwingen. Ohne Engagement und Leistung geht es allerdings gar nicht.
Sind Sie zuversichtlich für die Schweiz?
Im Grundsatz ja; die Schweiz hat enormes Potenzial, doch wir neigen zur Selbstgefälligkeit und glauben zu oft, dass unser Wohlstand von Gott gegeben ist; von daher sind wir im Moment daran, den Erfolg zu gefährden – doch der Schweizer lernt am besten über das Portemonnaie – sonst macht’s der Druck von aussen: Dann poltern wir zwar, knicken jedoch rasch ein. Etwas mehr Vision täte unserem Land gut. Abwarten war früher eine erfolgreiche Strategie, für die Zukunft bezweifle ich ihre Gültigkeit.
Welche Probleme sollte die Politik unverzüglich anpacken?
Die Rentenproblematik und das «wirtschaftliche Kolchosen-System» im Inland: Das System mit einer fixen gesetzlichen Pensionierung mit 65 ist ein alter Zopf und funktioniert so nicht mehr. Weiter haben wir zu viele Interessengruppen, die mit der Globalisierung viel Geld verdienen, in der Schweiz aber genau diesen Wettbewerb durch Abschottung blockieren. Unser Parlament macht in diesen beiden Gebieten eine ungenügende Arbeit.
Eine Ihrer Lebensweisheiten?
Carpe diem – es gibt viele wunderbare Kleinigkeiten: Sie täglich zu sehen, ist die Kunst; leider gelingt es mir nicht immer, aber ich arbeite daran.
Wie könnte der Titel dieses Interviews lauten?
Die Perle zu finden, wird dank Algorithmen nicht einfacher.