Mehr HR-Kompetenz im Verwaltungsrat
Im Verwaltungsrat ist HR-Kompetenz vonnöten. Diese kann auch von Mitgliedern ohne direkten Bezug zum HR-Management eingebracht werden. Fehlt sie jedoch, kann sich das auf die Unternehmenskultur und die Unternehmensergebnisse negativ auswirken.
Welche Kompetenzen ein Verwaltungsrat als oberste Instanz und Aufsichtsorgan eines Unternehmens in seinem Gremium benötigt, um langfristig erfolgreich im Unternehmensinteresse zu agieren, hängt unter anderem davon ab, welches Geschäft das Unternehmen betreibt. Ebenso relevant sind die damit verbundenen Risiken und Eigenheiten. So sind je nach Ausgangslage vermehrt juristische, finanzielle, marktspezifische, Branchen- oder HR-Kompetenzen gefragt.
Vielseitige personalpolitische Aufgaben
Der langfristige Erfolg eines Unternehmens hängt dagegen massgeblich von der Unternehmensstrategie sowie der Kompetenz seiner Mitarbeitenden ab. Deshalb muss sich auch der Verwaltungsrat mit HR-Themen auseinandersetzen. In der Literatur findet sich eine detailliertere Auflistung seiner personalpolitischen Aufgaben.*
Der Verwaltungsrat
- legt die Personalpolitik fest – beispielsweise den Umgang mit Sozialpartnern sowie Massnahmen zur Verhinderung von Diskriminierung und sexueller Belästigung.
- definiert die Lohnpolitik für die Entlöhnung der Mitarbeitenden.
- entscheidet über den Anschluss an eine Vorsorgeeinrichtung.
- stellt sicher, dass alle Sozialversicherungsabgaben und Steuern ordnungsgemäss gebucht und bezahlt werden.
- rekrutiert und ernennt Geschäftsleitungsmitglieder.
- bestimmt die Entschädigung der Geschäftsleitung sowie Spesenrichtlinien und ein allfälliges Erfolgsbeteiligungsreglement.
- entscheidet über Abschluss, Änderung und Auflösung der Geschäftsleitungs-Arbeitsverträge und -Stellenbeschreibungen.
- gibt den Geschäftleitungsmitgliedern jährliche Ziele vor und macht Vorgaben zu deren persönlicher Aus- und Weiterbildung.
- stellt die Nachfolgeplanung in der Geschäftsleitung sicher und bestimmt Stellvertreter für kurzfristige Ausfälle.
- überwacht allfällige Arbeitsgerichtsprozesse.
Besonders bei der Besetzung der Geschäftsleitung ist der Verwaltungsrat gefordert, persönlich und fachlich passende Kaderfachkräfte auszuwählen. Über die Auswahl dieser Personen beeinflusst der Verwaltungsrat wesentliche Elemente der Unternehmensentwicklung – mit Auswirkung auf die Strategie sowie auf organisatorische, personelle und unternehmenskulturelle Bereiche.
Durch die Besetzung des Topkaders hat der Verwaltungsrat also einen direkten Einfluss auf die Unternehmensführung sowie einen indirekten auf die Unternehmenskultur und damit auch auf Faktoren wie die Risikoorientierung. Ob ein Verwaltungsrat das bewusst oder unbewusst tut, spielt dabei keine Rolle. Es ist ganz einfach die Konsequenz seines Handelns. Wie der Verwaltungsrat agiert und welche Bedeutung er HR-Themen zumisst, strahlt deshalb auf alle anderen Ebenen des Unternehmens aus. Ernennt ein Verwaltungsrat einen CEO mit narzisstischen Allüren, der einen eher diktatorischen Führungsstil pflegt, darf er sich nicht wundern, wenn dessen engstes Umfeld hauptsächlich aus ja-sagenden Soldaten besteht. Obschon so kurzfristig gute Zahlen erreicht werden können, ist eine langfristig erfolgreiche Unternehmensführung in einem solchen Umfeld schwierig.
HR in den Verwaltungsrat?
In Gremien wie Verwaltungsräten, Vorständen, Stiftungsräten oder Verwaltungen von Genossenschaft mangelt es meist an HR-Fachkenntnissen, weil in Ausbildungskursen aus Zeitmangel oft gerade nur die wichtigsten HR-Grundsätze vermittelt werden.* Dass man einen HR-Verantwortlichen in den Verwaltungsrat holt, ist zwar möglich und in manchen Fällen durchaus sinnvoll, aber nicht zwingend nötig. Viel wichtiger ist, dass HR-Kompetenz im Verwaltungsrat vertreten ist und HR-Themen auf dieser Stufe adäquat diskutiert werden. Dafür braucht es Leute, die Führungserfahrung haben, mit den Werten des Unternehmens vertraut sind und HR- und Sozialkompetenzen mitbringen. Dem Verwaltungsratspräsident kommt eine besondere Bedeutung zu, zeichnet er sich doch für die Führung und das Setzen der Agenda verantwortlich.
Ausschuss für HR-Fragen
Um den Verwaltungsrat und das Kader ideal zu besetzen und dabei Fehler zu vermeiden, empfiehlt Economiesuisse im «Swiss Code of Best Practice for Corporate Governance», einen sogenannten Nominationsausschuss zu bestellen. Dieser sei mehrheitlich aus nicht exekutiven und unabhängigen Mitgliedern des Verwaltungsrats zusammenzusetzen und dafür verantwortlich, Kandidaten zur Wahl oder Wiederwahl in den Verwaltungsrat vorzuschlagen und dafür die Kriterien zu erarbeiten. Diese Aufgabe kann der Nominationsausschuss auch bei der Auswahl, Beurteilung und Nachfolgeplanung des obersten Kaders wahrnehmen.
Um professioneller und bewusster mit HR-Themen umzugehen, setzen manche Verwaltungsräte ein sogenanntes HR-Committee ein. Darunter ist die Kombination eines Nominations- und Vergütungsausschusses mit zusätzlichen HR-Aufgaben auf strategischer Führungsebene zu verstehen, der auch die Höhe der Entschädigung des Verwaltungsrats und der Geschäftsleitung bestimmt.*
Natürlich kann der HR-Verantwortliche eines Unternehmens in einem solchen HR-Committee vertreten sein, zwingend ist das aber nicht. Wie ein Unternehmen dies in der Praxis handhabt, hängt davon ab, ob der Verwaltungsrat bereit ist, das HR einzubeziehen. Das hat auch mit der Transparenz im Unternehmen zu tun: Manche Verwaltungsräte wollen ihren HR-Verantwortlichen nicht in ihrem Gremium dabeihaben, weil er damit Zugang zu Informationen über Verwaltungsrats- und Geschäftsleitungsmitglieder sowie damit verbundenen Themen hätte. Die Besetzung des Verwaltungsrats kann somit Auskunft über die Offenheit und die Führungsprinzipien eines Unternehmens geben.
HR gehört in die Geschäftsleitung
Ebenso wichtig wie die HR-Kompetenz im Verwaltungsrat ist, dass der Verwaltungsrat bei Personalthemen mit dem HR auf Unternehmensstufe aktiv zusammenarbeitet. Nur so können strategische Themen im HR operativ einfliessen. Damit einher geht die Ausgestaltung des HR in der Unternehmensführung: Welcher Wert dem HR beigemessen wird, zeigt sich bei der Wahl des HR-Managements und dessen organisatorischer Verortung. Personalthematiken sollten für sich stehen und nicht der Finanz- oder IT-Abteilung untergeordnet werden.
Ab einer gewissen Grösse und Komplexität des Unternehmens und der Personalthemen gehört das HR in die Geschäftsleitung, denn das HR unterliegt einem dramatischen Wandel und beschäftigt sich durch die Digitalisierung und den damit einhergehenden Transformationsfragen mit ganz anderen Themen als etwa noch vor zehn Jahren. HR wird in diesem Kontext zu einer Schlüsselstelle. Dies sollte auch in der Unternehmensstruktur ersichtlich sein. Damit setzt die Unternehmensführung nach innen und aussen Signale: HR hat eine hohe Wichtigkeit und ist mehr als nur ein Kostenfaktor. Falls HR nicht in der Geschäftsleitung vertreten ist, sollte der HR-Verantwortliche mindestens direkt an den CEO rapportieren.
Quelle:
* Roland Müller (2013). HR-Committees: Bedeutung von Nominierungs- und Entschädigungsausschüssen auf Stufe Verwaltungsrat