Kompetenz und Persönlichkeit statt Selbstvermarktung – worauf Unternehmen im Auswahlverfahren von Führungskräften achten sollten

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Original erschienen in Audit Committee Quarterly.

Führungskräfte- und Fachkräftemangel sind seit Jahren zunehmend ein Thema. Ebenso verändert die Digitalisierung unser Leben täglich. Und zu all dem kam 2020 Corona. Insbesondere die beiden letztgenannten Aspekte wirken als Brandbeschleuniger, indem sie die Erwartungshaltung der Führungs- und Fachkräfte nachhaltig verändern und damit direkt oder indirekt mit einem Selbstverständnis vieler traditioneller Chefs kollidieren.  »Weiter so« geht nicht mehr, wenn Firmen sowohl für Kunden als auch Mitarbeitende attraktiv bleiben wollen. Eine Verhaltensänderung auf oberster Stufe (C-Level und AR- / VR-Ebene) ist in unterschiedlichem Maße notwendig. Damit stellt sich die Frage nach den Kriterien für die Auswahl moderner Führungskräfte.

Narzisstische Persönlichkeiten haben sich in den letzten Jahren massiv vermehrt – die Onlinemedien haben die Ich-Bezogenheit und Selbstvermarktung zusätzlich beschleunigt. Dies führt bei einer nicht unerheblichen Anzahl von Managern zu einer Abgehobenheit, die ihnen und ihrer Zunft schlecht ansteht. Es ist nicht Aufgabe einer Führungskraft, sich selber in den Mittelpunkt zu stellen und sich zu zelebrieren. Vielmehr trägt sie mit ihrem Team zur Zielerreichung bei, welche dem Unternehmen und idealerweise der Umwelt oder der Gesellschaft einen Mehrwert bringen. So führt sich der Narzisst in den Unternehmen auf: selbstverliebt, kontrollversessen bis tief in die Organisation und oftmals umgeben von einer Clique von hoffärtigen Jasagern. Widerspruch wird in der Regel schroff parkiert oder entsorgt. Die jüngere Generation unterscheidet sich hinsichtlich Vorstellungen und Erwartungen gegenüber Beruf und Karriere signifikant von der jetzigen Führungsgeneration. Die Identifikation mit dem Arbeitgeber und seinen Werten sowie die Sinnhaftigkeit der Tätigkeit sind ungleich höher gewichtet. Ebenso ist die Reputation eines Unternehmens und seiner Führungskräfte bei der Beurteilung der Attraktivität als Arbeitgeber zusehends wichtiger. Dazu kommt der Wunsch nach mehr Flexibilität, die Bereitschaft, Neues auszuprobieren und traditionelle Karriereansichten auch infrage zu stellen. Freiraum, Selbstständigkeit sowie die Möglichkeit, aktiv mitzubestimmen, sind Faktoren, welche die neue Generation einfordert und die für sie motivierend sind. Diese Anforderungen sollten Unternehmen ernst nehmen und bei der Suche nach Kandidaten einbeziehen.

Anforderungen an Führungskräfte im Umbruch

Unternehmen brauchen heute eine erhöhte Flexibilität, um sich in den rasch verändernden Märkten und den vorhandenen Technologien richtig zu verhalten. Nicht Paläste, sondern Zelte sind gefragt, um rasch zu reagieren. Dies führt auch zur »Auflösung« von Hierarchien, verstärkter Team- und Kooperationsfähigkeit und damit zu einem Führungsstil, der auf einem Miteinander beruht. Somit werden substanziell höhere Anforderungen an die Führungskräfte in Bezug auf Kommunikation, Sozialkompetenz, Werte, Kritikfähigkeit und Vorbildfunktion gestellt. In erster Linie die Persönlichkeit – begleitet von Fach- und Lebenskompetenz – wird somit zentral.

Chance für überzeugende Führungskräfte?

Überzeugende Kandidaten sind gesucht und haben Optionen. Die Suche nach dem richtigen Kandidaten ist zunehmend eine hindernisreiche Reise – ein Umdenken ist gefragt. Und zwar sowohl auf Firmen- wie auch auf Kandidatenseite. Firmen sollten ihre Strategie der veränderten Situation anpassen. Unternehmen können mehr Flexibilität zeigen, was das Kandidatenprofil betrifft. Persönlichkeit und Charakter einer Führungskraft sind weitgehend gegeben – fachliche Aspekte können bis zu einem gewissen Grad dazugelernt werden. Starke Kandidaten zeichnen sich nämlich auch durch Lernfähigkeit und -bereitschaft aus. Mit der Wahl des CEO gibt der Aufsichtsrat unmissverständliche Zeichen: sowohl in persönlicher als auch fachlicher Hinsicht. Und er hat durch die Wahl der obersten Führungsebene entscheidenden Einfluss auf die Unternehmenskultur. Wenn man Klagen hört, dieser oder jener CEO hätte narzisstische Allüren, einen eher diktatorischen und auf sich ausgerichteten Führungsstil, dann darf man sich auch nicht wundern, wenn sein engstes Umfeld von eher zu Jasagern degradierten Soldaten geprägt ist. Es gibt jedoch genügend überzeugende Spitzenmanager, welche durch ihre Energie und Persönlichkeit erfolgreich – sprich menschlich und weitsichtig – führen.

Am Kopf beginnt der Fisch zu stinken

Obige Erkenntnis sollte dazu führen, dass man sich auf Stufe Aufsichtsrat, dann aber auch auf CEO-Stufe, für die darunter liegenden Führungsebenen viel klarer mit der Persönlichkeit der Schlüsselfunktionen auseinandersetzt. Gerade im Kontext der Digitalisierung ist eine Veränderungskultur gefordert, welche die Maxime der absoluten Risikovermeidung relativiert und verstärkt hin zu einer Chancenkultur den Weg ebnet. Dies setzt voraus, dass Fehler passieren dürfen und man aus diesen lernt. Das Unternehmen mit diesem Gen zu durchdringen, setzt ein Vorleben auf oberster Ebene voraus. Kritisch hinterfragen und visionär Neues zur Diskussion zu bringen, ist zwingend. Meisterleistungen sind oft nicht auf Konformität aufgebaut, sondern von Persönlichkeiten erschaffen worden, die außerhalb der Norm dachten und handelten. Die Zeit der sich selbst feiernden und auf Status fokussierten Führungskräfte ist vorbei. Start-ups leben dies vor. Dazu kommt, dass die Nachwuchsgeneration in weiten Teilen »anders tickt« und nicht mehr im gleichen Ausmaß bereit ist, in sog. alten Kulturen zu arbeiten. Viele erfolgreiche Mittelstandsunternehmen gehen hier beispielhaft voran. Es geht nicht darum, sog. Soft-Kulturen zu propagieren, sondern eine moderne Führung zu etablieren, welche auf Leistung ausgerichtet ist und die sich vom klassischen Hierarchie- und Statusdenken emanzipiert. Junge Nachwuchskräfte wollen mitwirken können. Diese Art des »den Mitarbeitenden als Menschen In-den-Mittelpunkt- Stellens« ist unternehmerisch zukunftsorientiert. Sie läuft der in narzisstischen Kulturen oft feststellbaren »wir da oben – die da unten«-Attitüde diametral entgegen.

Kosten von Fehlbesetzungen sind oft verdeckt

Eine Fehlbesetzung in der Chefetage ist immer teuer – aber besonders dann, wenn die Umsätze stagnieren oder sich das Verhalten einer Führungskraft negativ auf die Wahrnehmung der Marke und des Unternehmens auswirkt. Wenn aber eine Persönlichkeit mit Allüren oder einem Kasernenhofstil zwar Innovation und Großprojekte vorantreibt, jedoch auch wertvolle und langjährige Mitarbeitende in ein Burn-out oder aus dem Unternehmen drückt, dann sind die Kosten weniger augenfällig. Aber nicht weniger hoch: Mit dem Verlust von Mitarbeitenden geht ein Verlust von Know-how einher und im weitesten Sinne leidet auch die Unternehmenskultur. Dies macht sich mittelfristig indirekt bemerkbar, indem die Firma als Arbeitgeber für starke Kandidaten weniger attraktiv wird, was beim herrschenden Führungskräftemangel noch fataler ist.

Persönlichkeit ist Key – es braucht einen Generationenwechsel

Für die Rekrutierung bedeutet dies, dass der charakterlichen Integrität einer Führungskraft große Beachtung zu schenken ist. Der Übereinstimmung der Persönlichkeit mit der bestehenden – und längerfristig gewünschten – Kultur und den Werten eines Unternehmens muss deutlich mehr Beachtung geschenkt werden. Eine Führungskraft wird durch ihr Handeln zu einer Art Botschafterin im Positiven wie im Negativen – gegenüber Aktionären, Kunden und Mitarbeitenden. Faktoren wie Führungsstil, Kommunikations-Authentizität, Bescheidenheit und stärkere Teamorientierung werden immer wichtiger. Narzisstische Führungskräfte passen zusehends schlechter in eine sich verändernde digitale Arbeitswelt. Zudem können sie schnell zur Belastung für ein Unternehmen werden – auch hinsichtlich des Images einer Firma und der Fähigkeit, gute und zukunftsorientierte Macher an Bord zu holen. In dieser Hinsicht stehen sich einige Firmen selber im Wege. Unternehmen müssen sich bewusst werden, dass der Reputation einer Führungskraft eine immer größere Bedeutung zukommt, da diese auf verschiedenen Ebenen auf das Image einer Firma und ihrer Marken abfärbt. Es braucht einen Paradigmenwechsel in Bezug auf das Profil einer modernen Führungskraft. Diesen sollte der Aufsichtsrat mutig fordern und fördern. Letztlich wird sich dies auf den Erfolg und das Renommee einer Firma positiv auswirken. Die Stabilität und die nachhaltige Entwicklung eines Unternehmens, die daraus resultiert, kommt auch den Aktionären zugute.

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